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Jugendspieler wechselt den Verein

Der erste Artikel nach fast genau vier Monaten. Es ist so viel passiert und es wird mir auch gut tun das aufzuschreiben.

Und wenn der Shooter geht…

Nach Startschwierigkeiten in die Saison, wo wir 2 von 3 Topspielen direkt am Anfang deutlich verlieren sollten, haben die Jungs gelernt, das Talent nicht reicht, sondern die Einstellung viel ausmacht. In der Rückserie haben wir jedes Spiel deutlich gewonnen und sind auf Grund des direkten Vergleichs Bezirksligameister geworden. Eine Woche später, nach dem Erreichen des Saisonziels, bittet mich Alex nach dem Training mit 4 Worten und einer winkenden Geste in die Kabine.

“Christian, komm mal mit”, sagt er und ich wundere mich, folge, schließe die gelbe Tür der abgedunkelten Kabine. Ich werde diese für die nächsten 70 Minute nicht mehr verlassen.

“Du, ich trainiere seit 2 Wochen bei einem anderen Verein mit und die wollen mich.”

Ich frage wer “die Anderen” denn seien und kratze mich am Kinn, als ich die Antwort höre. Ich überlege, was Alex denn nun von mir möchte.

“Und?”, frage ich. “Ja, was hälst du davon, was soll ich deiner Meinung nach machen?”, er lässt sich auf die Massagebank fallen und schaut mich an.

Die Anderen, das ist ein Leistungszentrum, 3 Mal die Woche Training, insgesamt 6 Einheiten inklusive Krafteinheiten und Videoanalyse. Fast eine Stunde Fahrzeit pro Weg.

Wir, das ist ein ambitionierter Breitensportverein in einer Stadt mit 4 zerstrittenen Handballvereinen, die es nicht auf die Kette kriegen eine “große Lösung (damit meine ich eine JSG) im Sinne der Jugendarbeit” anzustreben.

Und Alex ist diese Art von talentierten Jungs, die nach dem Training noch 1h weiter auf das Tor werfen und weiter die Technik üben. Und natürlich schon vor dem Training 1h Stunde in der Halle sind und Einzeltraining in Anspruch nehmen. Und dann auch noch regelmäßig bei den Senioren mitmachen.

Alex ist der Shooter meiner männlichen B Jugend mit großen Potenzial, Willen und Zielen.

Ich fange an mit mir selber zu hadern.  Es ist so offensichtlich, es gibt nur eine objektive Antwort. Anlügen, dass will ich meine Spieler nicht, denn ich will ein guter Trainer sein und ihm nichts verbauen. Schließlich diene ich dem großen Ganzen und er könnte es wirklich schaffen.

Subjektiv – Scheiße, wir wollen die Oberligaquali schaffen und es wäre auf Kreisebene ein Klacks! Die anschließenden Turnierspiele sind ein wenig Glückssache, jedoch denke ich, dass die Oberliga und damit die höchste Spielklasse erreichbar sind. Wir brauchen den Kerl aber dafür.

Ich sage nicht, dass er bleiben sollte. Ich sage ihm:

“Alex, ich denke die sauberste Lösung für alle Beteiligten wäre, dass du bei uns die Quali mitmachst und dann schaust, welcher der Vereine höher spielt. Ich denke wir sind mit dem aktuellen Jahrgang, mit dir im Team, besser als “die anderen”. Wenn du wechselst, ja dann…dann wird es schwer gegen die zu gewinnen.”

“Die haben gesagt, ich muss vor der Aufstiegsrunde wechseln, sonst halten die mir keinen Platz frei und nehmen mich nicht mehr. Ich habe die Angst, dass ich diese Möglichkeit nie wieder haben werde.”

Die Pistole auf der Brust

“Ja, wie findest du das?”, frage ich und er sagt sofort: “Scheisse, ich weiß einfach nicht was ich machen soll”.

Gestern hat er sich verabschiedet, kurz gesagt, dass es sein Wunsch ist zu gehen, da er denkt, dass er sich dort sportlich weiter-entwickeln kann. Dann hat er noch mittrainiert, gestrahlt und da habe ich gesehen, dass es für ihn wirklich das richtige ist.

Aus Sicht meines Breitensportvereins, ist dieser Weggang fatal, es ist “der goldene Jahrgang”, eine homogene Truppe aus 10 Spielern. Mit der Qualifikation der obersten Spielklasse, wären Neuzugänge gekommen und der Kader hätte sich regional weiter verstärkt. Mit motivierten Spielern, die nicht zum Leistungszentrum gehen wollten oder konnten.

Andererseits fällt die Mannschaft nun vielleicht auseinander und wir verpassen das Ziel Oberliga, andere Vereine bedienen sich bei uns und letztlich kommt kein Spieler im Seniorenbereich an.

Wir haben in den letzten Jahren eigentlich nur Spieler abgegeben, allein aus der Stadt des Vereins haben in den letzten 3 Jahren 6 Spieler den Sprung zu den Jugendmannschaften von Bundesligisten geschafft. Es ist nur ein Nehmen der Leistungszentren! Wie soll hier langfristig ein sportlicher Fortschritt erzielt werden, wenn gezielt alle Leistungsträger weggeholt werden?

Ich diene dem großen Ganzen

Dann gibt es die Sicht der Leistungszentren, die natürlich 14 gleich talentierte Spielern ein ansprechendes Training bieten können. Die müssen sich woanders bedienen oder Spieler wegschicken, damit die Qualität erhalten bleibt. Deshalb sind sie auch ein Leistungszentrum und kein Breitensportverein.

Dann gibt es noch meine Sicht: Ich hätte mit dem Heimatverein versucht die Oberligaqualifikation zu erreichen. Die Chance keine 120 Minuten Fahrzeit für Hin – und Rückweg pro Trainingseinheit zu brauchen. Die Chance regional ebenfalls Neuverpflichtungen willkommen zu heißen und dann die Leistungszentren zu ärgern oder zu schlagen. Und vor allem hier langfristig was aufzubauen.

Ich habe ihm gesagt, dass er gehen muss, falls wir die Qualifikation nicht packen. Da stehe ich zu und das habe ich den anderen Leistungsträgern der Mannschaft gestern auch gesagt. Vielleicht hat Alex auch nur die Hälfte des Satzes gehört.

Generell den Jugendspielern die Pistole auf die Brust zu setzen, das finde ich nicht ok. Moralisch wohlgemerkt, rational betrachtet ist es ein geschickter Schachzug. Es ist die einzige Formulierung, die es den LZ ermöglicht, nicht Bittsteller zu sein, sondern Chancengeber.

Alex, ja der wollte immer trainieren und spielen und sich verbessern. Ich denke er wird im Leistungszentrum gut aufgehoben sein und ich wünsche ihm alles Gute. Es ist für ihn selbst das Beste.

Er wird es schaffen, ich glaube an ihn. Und ich hoffe, dass ihm kein Luftschloss versprochen wurde, damit er wechselt, sondern er dort erhält, was er verdient. Denn wir Trainer dienen dem großen Ganzen. Auch wenn ich mich manchmal doch frage:

Wofür.

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