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Interview Matthias Lorenz

Heute habe ich ein Interview für euch, was mich total begeistert und auch nachdenklich gemacht hat. Matthias von der Talentschmiede gibt euch gleich konkrete Tipps zum Handballtraining, wie er Spieler analyisert und was für ihn die fundamentalen Dinge für ein Handballtalent sind. Außerdem habe ich endlich jemanden getroffen der auch mit Tablets, statt Taktikbrett beim Handballtraining erklärt. Juhu!

Eckdaten – Alter, Beruf und Hobbys

Alter: 30
Beruf: Handballtrainer & Inhaber der HTS
Hobbys: Handball ;-) & die wenige freie Zeit mit Familie und Freunden verbringen.

Was machst du, wenn du dich nicht mit Handball beschäftigst?

Die wenige Zeit neben dem Handball, nutze ich für meine Familie und meine Freunde. Leider kommen diese sehr häufig zu kurz. Daher freue ich mich immer riesig wenn ich Zeit mit ihnen verbringen kann.

Stell bitte dein Projekt vor.

Die HTS – HandballTalentSchmiede wurde im Juli 2014 als HandballTorwartSchule gegründet und im Jahr 2016 umfirmiert. Mit unserem einzigartigen Integrativkonzept sind wir als Ausbildungsakademie für den Handballsport Vorreiter in Europa.

Grundlage war eine Ausbildungs-Konzeption für Torhüter nach den herrschenden Kriterien der Torwartförderung.

Was sind denn die herrschenden Kriterien der Torwartförderung?

Um 2 Punkte zu nennen: Die neuen Art der Armhaltung – die Arme sollen nach vorne gerichtet im Blickfeld der Torhüter sein, statt weiter hinten auf Ohrenhöhe. Alles was du siehst, kontrollierst du auch.

Statt dem Hürdensitz, ist nun ein breiter Stand mit Schwerpunkt auf dem Vorderfuß wichtig.

Inhaltlich wurde diese Konzeption auch an die bestehenden Rahmentrainingskonzeptionen angelehnt. Wir garantieren hierdurch allen Torhütern und Feldspielern gleichermaßen eine optimale Ausbildung.

Mit wem arbeitest du zusammen?

Henning Fritz ist bei uns als Berater tätig und unterstützt uns mit Input und Ratschlägen hinsichtlich neuer Trainingsmethoden und Konzeptionen. GOALCHA ist eine Streethandballphilosophie und ermöglicht den Jugendlichen überall Handball zu spielen.

Diese Punkte übernehmen wir in das Handballtraining. Bei der Handball EM in Polen haben wir zusammen mit GOALCHA Mitarbeiter geschult und ausgebildet. Dank dieser Elemente kann man Handball auch ohne Hallendach anbieten.

Wie ist dein Projekt gestartet ?

Die Idee war eine Ausbildungs-Konzeption für Torhüter nach den Kriterien der deutschen-, isländischen- und kroatischen Torwartförderung zu schaffen. Denn in Deutschland gibt es bis dato keine einheitliche Ausbildungsgrundlage.

Was zeichnet die deutsche isländische und kroatische Torwartförderung aus?

Deutschland: Großer und schwerer Torhüter die lange warten – Lichtlein zum Beispiel.

Isländisch: Landin oder Heinevetter: Viel aus dem Sprung und Schwedensitz – Die Athletik ist im Vordergrund.

Kroatische: Mitspielender und aggressiver Torwart – die Kraft ist wichtig. Andi Wolf oder Henning Fritz stehen dafür. Sie haben ein offensives Spiel, gehen raus und setzen den Angreifer unter Druck

Okey, interessant! Wie ging es dann weiter?

Zunächst wurde diese Idee ½ Jahr erfolgreich getestet bevor am 24.07.2016 ich die HTS gründete.

Die größte Hürde war die Akzeptanz dieser Art der Arbeit in einer Randsportart. Hätte ich dieses Unternehmen für den Bereich Fußball gegründet, gäbe es keine Probleme. So musste ich Jedem erklären, dass auch ein Unternehmen im Handballbereich existieren und sich finanzieren kann.

Auch mein Name in der Handballbranche war ein Problem – ich hatte nämlich keinen.Ich musste mit 23 Jahren nach einer schweren Verletzung die Karriere beenden und habe somit nie in höheren Klassen gespielt – also komplett unbekannt. Glücklicherweise ebneten mir einige bekannte Personen wie Hermann Josef Häring, Marcel Rene Trinks, Henning Fritz und Jan Holpert aus der Handballbranche den Weg indem sie Kontakte für mich herstellten.

Was sind die Ziele deines Projekts?

Zum einen will ich Handballförderung für jedermann anbieten. Egal ob männlich oder weiblich, Jugend oder Senioren, Amateur oder Profi, Arm oder Reich.Jeder soll die Möglichkeit haben, von uns eine Förderung zu bekommen.Dies haben wir bisher auch teilweise schon gut umgesetzt bekommen. Gerade Kinder und Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen oder ohne finanziellen Background trainieren wir kostenlos. Das ist ein Agreement mit dem Kinderschutzbund.

Zum anderen möchte ich eine Community für Handballtrainer sein. Wer Lust hat nach Konzept zu arbeiten und das in ganz Europa ist bei uns immer herzlich Willkommen. Denn die Leidenschaft für diesen geilen Sport sollte im Vordergrund stehen und nicht die jeweiligen Egos. Daher alle zusammen für ein Ziel.

Wo siehst du dein Projekt in 5 Jahren?

Da wir alle den Leitspruch haben „Think Big“ übernehmen wir in 5 Jahren die Weltherrschaft. Ne Spaß bei Seite. Wo wir in 5 Jahren sind lässt sich schlecht sagen. Für uns ist es vorrangig, dass die angedachten Projekte 2017 auch alle wie geplant sich umsetzten lassen und erfolgreich sind. Ich würde mich freuen, wenn das Projekt „HTS“ in 5 Jahren noch lebendig ist und sich finanziert. Dies hängt aber auch von Sponsoren und Unterstützern ab die wir ständig suchen.

Warum der Umstieg von Torwartschule auf allgemeinere Zielgruppe (Spieler statt Torhüter im Allgemeinen)?

Da die Anfrage nach weiteren professionellen Leistungen innerhalb der ersten 12 Monate stetig stieg, wurde das Portfolio und somit auch das Expertenteam ausgebaut. Zusätzlich zu weiteren Torwarttrainern zählen nun auch Athletik-, Mental- und Feldspielertrainer zu unserem festen Stamm.

Ergänzt wird das Team durch erfahrene Physiotherapeuten in sportlicher Hinsicht sowie Experten im Bereich der Vereinsführung, welches wiederum das wirtschaftliche Spektrum abdeckt. Durch diese enorme Entwicklung können wir Vereinen, Verbänden oder Privatpersonen eine noch bessere und breitere Förderung bieten.

 Auf welche Dinge achtest du bei Spielern um herauszufinden wie du sie verbessern kannst?

Das kommt ganz auf den Spielertyp an. Als erstes achte ich auf die jeweils positionsspezifischen Fähig- und Fertigkeiten. Dann auf die athletische Ausbildung.

Was sind die klassischen technischen Aspekte die du verbesserst und wie setzt du das um?

Gute Frage. Ich unterteile hierbei mal TWs und Feldspieler und gebe mal einen Blick auf den Jugendhandball.

TWs

  1. Grundstellung

Darin enthalten ist die Gewichtsverlagerung auf den Vorderfuß sowie die korrekte Armhaltung Dies baue ich sehr gerne in die Erwärmungsphase mit ein.

Dazu lasse ich die TWs zum Beispiel sich auf einer Bank oder einem Balance Board stellen und gebe Ihnen zusätzliche Aufgaben wie Pässe zu spielen. Die TWs konzentrieren sich dann auf die Pässe und die Gewichtsverlagerung rückt in den Hintergrund. Damit will ich einen Automatismus schaffen.

  1. Fokussierung & Automatismus

Wie bei der Grundstellung schon erwähnt, lebt ein TW von den Automatismen. Das bedeutet, er muss Bewegungen ausführen ohne darüber nach zu denken. Das beinhaltet auch die Fokussierung des Balls und die gleichzeitige Anpassung des Stellungsspiels.

Hierfür kann man zum Beispiel dem TW einen Ball in die Hand geben. Er soll den Ball in 2 Händen oberhalb seines Kopfes halten. Dann muss er auf einer Linie vorwärts gehen. Die Augen dürfen den Ball nicht verlassen und er darf nicht neben die Linie treten.

  1. Angst / Respekt

Gerade in Bereich D- und C-Jugend haben viele Torhüter noch Angst vor dem Ball. Auch wenn sie es leugnen. Hierbei wollen wir die Angst in Respekt umwandeln. Der Unterschied ist, bei Angst gehe ich aus der Wurflinie. Respekt aber schützt mich davor Fehler zu machen.

Hierzu nutzen wir weiche Streethandbälle wie die von Goalcha.

Dann gibt es Wurfserien, bei Grundstellung des TWs, in Richtung Gesicht. Selbst wenn der Ball nicht abgewehrt wird, tut es nicht weh. Es ist aber ein langer Prozess.

Feldspieler

  1. Koordination

Ganz wichtig ist hierbei die Koordination Laufen mit Prellen bzw. Passen und Fangen. Dazu nutzen wir viel die Spielformen wie Mattenball etc.  Auch wenn es sich einfach anhört, können durch zusätzliche Aufgaben selbst bei Profispieler Verbesserungen der Fähigkeiten erzielt werden. Ganz wichtig ist wie bei allem natürlich die Korrektur.

  1. 1 gegen 1

Ich selbst bin ein Verfechter der offensiven und hart geführten Abwehr (natürlich alles im Rahmen des erlaubten). Die ist ja bei den Jugendmannschaften sowieso gefordert – zumindest die offensive Abwehr ;-).

Eine meiner Lieblingsübungen ist folgende: Ein Ball liegt mittig auf einer Turnmatte. Pro Matte sind 2 Spieler (1 x Angriff & 1 x Abwehr). Der Angreifer muss den Ball berühren und der Verteidiger muss das verhindern. Regel: Die Matte darf nicht betreten werden. Anfänglich gehen die Spieler immer sehr zaghaft zu Werke. Aber je länger es dauert desto intensiver wird es. Diese Übung lässt auch 1.000 Variationen zu.

Hast du drei konkrete Beispiele für unsere Leser?

Klar, gerne. Wir machen einfach 2er Teams die anderen 2er Teams versuchen die Bälle zu stehlen. Total spannend ist es zu sehen, wie die Jungs sich dann gegenseitig Koordinieren und eine Taktik ausarbeiten. Oder liegt kein Ball auf der Matte, sondern der Angreifer muss den Ball auf der Matte ablegen. Das Spiel also umgekehrt. Und nicht zuletzt kannst du Handycaps mit Gewichten an den Beinen oder Händen oder Fixierungen mit dem Theraband hineinbringen, die die Balleroberung oder Verteidigung erschweren.

Ok danke. Was ist der dritte Aspekt auf den du achtest?

  1. Spielen ohne Prellen – Wir kennen es alle, wenn wir was Neues gelernt haben, wenden wir es bis zur Erschöpfung an. So ist es auch beim Prellen. Viele Kinder und Jugendliche neigen dazu, viel zu viel zu prellen und nehmen auch somit die Geschwindigkeit aus dem Spiel.Hier setzten wir mit „free plays“ 2 gegen 2, 3:3 oder 3:2 an. Gespielt wird mit einem Streethandball. Dieser lässt sich nicht prellen. Also schnelles Spiel mit max. 3 schritten und vielen Pässen.

Was hältst du von Koordinationstraining?

Koordination ist der Schlüssel zu allem. Dies legt den Grundstein für alles was Du im Handball benötigst. Daher ist das Koordinationstraining immer ein wichtiger Bestandteil von unserem Training. Gerade bei Kinder muss sehr viel Wert darauf gelegt werden. Vor 20 Jahren, hatten die Kinder und Jugendliche eine gute Koordinationsgrundlage. Doch heute, durch die zunehmende TV- und PC-Gesellschaft, sind meist einfache koordinative Fähigkeiten schon ein riesen Problem.

Arbeitest du mit Videoanalysen – wenn ja wie?

Ja aber nicht nur ich, sondern das gesamte HTS-Trainerteam. Wir halten die Videoanalyse als eine elementar wichtige Einheit des Trainings und zur Vor- und Nachbereitung von Spielen. Es gibt viele Trainer die sagen, dass man mit diesen Analysen erst im Halbprofi-Bereich beginnen sollte. Wir selber arbeiten aber in allen Bereichen, von Amateur bis Profi, von Kinder bis Erwachsene, mit Videoanalysen. Dazu nutzen wir Tabletts mit speziellen Apps (z. B. Coach’s Eye) und GoPros.

Welche Apps nutzt du noch?

Handballboard und Taktikboard. Letztere hat den Vorteil Trainingsgeräte mit einbauen zu können.  Und Coachbook, ein Tool um Spielanalysen zu machen, ähnlich wie Five Strikes. Der Vorteil bei den Tabletts ist, dass wir direkt im Training Feedback geben und die TW/Spieler sich das selber anschauen können. Ein weiterer Vorteil ist die Slow Motion Funktion bei den Apps. Aufwendige Analysen erstellen wir am PC mit spezieller Software und gehen diese mit den Spielern im Nachgang durch.

Integrierst du Torwarttraining in das Handballtraining oder arbeitest du lieber separat mit den Torhütern?

Von beidem etwas. Natürlich ist es wichtig, dass Torhüter auch individuell ohne Feldspieler gefördert und trainiert werden.Gerade in der Erwärmungsphase trenne ich beide Gruppen. Torhüter müssen ganz andere Muskelgruppen erwärmen als Feldspieler. Danach versuche ich eine 50/50-teilung zu erhalten. Das bedeutet, 50% der Trainingszeit arbeiten die TWs mit mir alleine (gezieltes Handball Torwarttraining) und 50% mit Feldspielern. Denn bei der individuellen Förderung darf auch die Kooperation mit den Feldspielern nicht zu kurz kommen.

Haben schon Spieler die du betreust den Sprung in die Jugendbundesliga geschafft?

Ja, wir hatten schon das Glück, Torhüter und Spieler betreuen zu dürfen die den Sprung in die höchsten Jugendligen geschafft haben. Aber auch Seniorenspieler die den Sprung in die professionellen Ligen gemeistert haben.

Wie motivierst du deine Spieler?

Das ist sehr unterschiedlich. Ich persönlich gehe sehr individuell auf jeden Spieler ein. Denn jeder Spieler geht anders mit Situationen um.

Jeder unserer Spieler hat eine sehr gute Grundmotivation. Teilweise vor Pflichtspielen muss ich sogar dagegen wirken, da sonst ein paar Spieler übermotiviert in ein Spiel gehen; Dabei können Fehler passieren.Die größte Motivations-Herausforderung ist aber in der Saisonvorbereitung bei Jugendlichen – das kenne ich noch von mir 😉

Sich zu überwinden mehrere Monate nicht viel mit dem Ball zu machen und stattdessen an Kondition und Kraft zu arbeiten ist nicht schön. Hier versuche ich mit den Spielern Belohnungen zu erarbeiten und erreichbare Ziele zu stecken. Somit ist es immer nur ein kurzer Weg bis zum nächsten Ziel und leichter dieses zu erreichen.

Hast du Tipps für introvertierte Spieler?

Zum Reden bringen und notfalls zum Reden “zwingen”. Ein Trainer muss sich auf jeden Spieler einzeln einstellen und die Spieler nicht alleine mit den Erfahrungen oder Problemen zurücklassen.

Wer wird nächstes Jahr Handball Weltmeister?

Ich denke es wird wieder ein harter Kampf der favorisierten Nationen. Dadurch werden wir auch sehr hochklassige Spiele zu sehen bekommen. Gerade weil so viele Nationen die Favoritenrolle haben ist es schwer sich auf einen zu einigen. Aber ich hoffe und denke, dass Deutschland Weltmeister wird. Mein Tipp: Deutschland vor Frankreich und Kroatien

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